Kinder, Kinder...

Kinderfragen an einen Crossdresser

Wenn Kinder gesund sind und in einem guten Umfeld groß werden, sind sie offen, aufgeschlossen und wissbegierig.

 

Um die Welt zu entdecken und zu verstehen und fürs Leben zu lernen, stellen Kinder Fragen. Dabei entdecken sie manchmal, dass es nicht nur schwarz oder weiß, sondern auch viele Töne dazwischen gibt.

 

Und so häufen sich mit dem öffentlichen Ausleben meiner femininen Seite die Gelegenheiten, zu denen mich Kinder deswegen ansprechen,

Da waren die Kinder eines Mitpatienten, die mich zum Angehörigentag in der Reha-Klinik kennen lernten. Der vierjährige Max*) schaute mich erst eine ganze Weile prüfend an, bevor die Frage kam: "Bist du ein Mann?

 

Was antwortet man so einem Knirps?

 

"Nein, ich bin eine Frau" wäre in seinen Augen gelogen gewesen, nachdem er mich nun einmal als Mann identifiziert hatte.

 

"Nein, ich bin Crossdresser (Transgender, Transsexuell...) hätte den kleinen Kerl wohl überfordert.

 

"Ja, ich bin ein Mann!" hingegen bestätigte Mäxchens Vermutung und befriedigte den kleinen Kerl offensichtlich. Frage zufrieden stellend für Max beantwortet. Nachdem ich mit ihm "Ticktack" gespielt hatte, war ich sein Freund. Als wir den Bus zu unserem Ausflugsziel der Marzahner Bockwindmühle**) nahmen, fand sich plötzlich eine kleine Kinderhand in meiner.

 

Mäxchen weiß jetzt, dass manche Männer Frauenkleider tragen und trotzdem in Ordnung sind. Eine ganze Menge für einen Vierjährigen.

 

Seine neunjährige Schwester Katja bewunderte am nächstfolgenden Angehörigentag eine Weile still mein Outfit. Schließlich rang sie sich zu ihrer Frage durch: "Warum trägst du denn Hackenschuhe?" Ich: "Die trage ich gerne, weil ich sie schick finde." Eine Weile Stille, es arbeitet in ihr: "Und warum hast du die Nägel lackiert?" Ich trage fünf Zentimeter lange knallrosa Gelnägel. "Die finde ich einfach schön, du nicht?" "Doch!" 

Ende der Fragestunde. Katja weiß jetzt nicht nur, dass es Männer gibt, die Kleider tragen, sondern auch hohe Schuhe und knallige Nägel. Sie wünschte sich ein Foto von mir mit ihrem Papa.

 

In Bahnen und Zügen kommt es ab und zu einmal zu Konfrontationen mit Kindern, die ganz offen und unverfälscht Fragen stellen, wie Max und Katja. Schonungslose Offenheit und Ehrlichkeit sind da meiner Erfahrung nach das Beste. Mit verklausulierten Antworten und Geschwurbel oder Um-den-heißen-Brei-herumreden können Kinder nichts anfangen.

 

Einfache, kindgemäße Antworten und rückhaltlose Offenheit und Ehrlichkeit sind dann gefragt.

 

Kinder speichern solche Erlebnisse ab und profitieren davon für ihr ganzes Leben. 

 

Schwierigkeiten im Umgang mit derartigen Konfrontationen haben eigentlich, wenn überhaupt, nur die begleitenden Eltern. Ängstliches Wegducken und Nicht-wahrhaben-wollen sind die geläufigsten Reaktionen.

 

Heute so geschehen im Späti gegenüber dem Sonntags-Club. Vor mir an der Kasse ein Vater mit seiner etwa fünfjährigen Tochter. Ich im langen Trägerkleid dahinter. Die Kleine staunt mich mit großen Augen an und kann den Blick offensichtlich gar nicht mehr abwenden. Der Vater bemerkt es und beeilt sich mit dem Bezahlen. Beim Verlassen des Ladens muss er seine Tochter förmlich hinter sich herziehen, ohne dass die Kleine den Blick von mir wendet.

 

Ich bekomme noch mit, dass der Vater im Bemühen, seine Tochter möglichst rasch vom Ort des Geschehens zu entfernen, vor der Ladentür förmlich über die eigenen Füße stolpert. Das Kind schaut immer noch zu mir zurück...


*) alle Namen verändert


**) Marzahner Bockwindmühle, Alt Marzahn 63, 12685 Berlin