Wer ist das Weibchen in mir?


Ich weiß nicht, ob alle CrossDresser (CD) so empfinden oder entsprechende Feststellungen an sich machen, aber ich weiß mich mit meinen Beobachtungen zumindest nicht allein auf weiter Flur...

 

In uns CD lebt ein Weibchen. Sie schläft oft und lange, aber manchmal wird sie schlagartig wach. Fast alle CD haben ihr einen Namen gegeben, mein Girlie heißt Darialena. Oder kurz auch mal nur Lena.

 

Sie ist, eigentlich hätte ich es voraussehen müssen und bin im Nachhinein doch immer wieder überrascht, völlig anders als ich. Wir teilen uns einen Körper und eine Seele und doch hat Darialena Seiten und Eigenarten an sich, die mich manchmal überraschen und oft belustigen.

 

Meine männliche Seite hat gar nichts übrig für Mode und Styling. Armani-Anzüge find ich zwar schick, kann ich mir aber einerseits nicht leisten und interessieren mich andererseits doch auch wieder nicht sosehr, daß ich mir einen leisten wollte. Und so sieht Klamottenbeschaffung meiner männlichen Seite meist so aus: rein in den Laden-anprobiert-gekauft-raus. Ich kaufe sowieso nur noch männliche Oberbekleidung im unbedingt nötigen Ausmaß, um auf der Arbeitsstelle und im nächsten Wohnumfeld die Fiktion einer männlichen Existenz aufrechtzuerhalten.

 

Darialena hingegen erwacht mit einem raubtierhaften Sprung zum Leben, sobald ich z.B. in einem Schaufenster einen schicken Fummel, paar stylische Schühchen oder ein schickes Accessoire entdecke und krallt sich meine Geldbörse. Und wenn sie dann das fünfte Paar Schuhe in einer Woche abgegriffen hat, belohnt sie sich mit einem Kosmetiktermin.

 

Als Mann pflege ich mich auch, aber Darialena geht ohne eine komplette Epilation, Pflege und Makeup nicht aus dem Haus. Nicht gestylt, nicht sauber rasiert oder epiliert? Kein Schritt vor die Tür!

 

Und was das wichtigste ist: Darialena ist viel kommunikativer als meine männliche Seite. Einfühlsam, empfindsam, eine gute Zuhörerin und Gesprächspartnerin.

 

In meiner unsäglichen männlichen Arroganz und Unbedarftheit habe ich früher nur resigniert den Kopf geschüttelt, wenn meine damalige Ehe- und heutige Exfrau mit dem zigwievielten Paar Schuhe oder der 25. Handtasche ankam. Heute, nachdem ich mir zugestanden habe, den weiblichen Anteil meiner Persönlichkeit wirklich auszuleben, verstehe ich sie: das 25. Handtäschchen ist NÖTIG, wenn die anderen 24 nicht zum aktuellen Outfit passen. Und Schuhe kann Frau sowieso nicht genug haben, sie will ja schließlich immer modisch und up to date sein. Mittlerweile habe ich einige formschöne Regale in meinem Mädchenzimmer, in denen ich Pumps und Sandaletten, Stiefeletten und Stiefel nach Farbe und Absatzhöhe sortiert habe und aus denen ich zu meinen Outfits problemlos je nach äußeren Gegebenheiten und Laune die passenden Schühchen auswähle.

 

Früher konnte ich in meiner allgemeinen Lesewut absolut nichts mit "Frauenromanen" anfangen. Beziehungskitsch war meinem männlichen Ego ein Greuel. Das Gleiche galt für Filme dieses Genres, da mußte ich mich zwingen, mit meiner damaligen Frau hinzugehen. Seit ich meine weibliche Existenz offen lebe, interessiere ich mich wesentlich mehr und stärker für menschliches Miteinander. Plötzlich finde ich- für mich völlig überraschend- Frauenliteratur lesenswert, sogenannte "Frauenfilme" berühren mich.

 

Und was ich immer wieder an mir bemerke: das Auftreten (meist jüngerer) Männer finde ich einfach lächerlich. Jetzt kann ich nachvollziehen, warum uns die Mädels während unserer pubertären Phase mehr oder weniger links liegen ließen: laut, polterig, kraftmeierisch, halbstark. Noch kein (richtiger) Mann, aber große Klappe, rohe Sprüche, Kraftausdrücke. Imponiergehabe, Hahnenkampf, eben die ganze Machotour. Nur gut, das Frauen in gewissen hormonellen Situationen genau auf solche Großmäuler abfahren, sonst hätten wir nie eine abgekriegt. Und dann wundern sich die Mädels immer wieder, daß sie morgens neben einem Arschloch aufwachen...

 

Crossdresser leiden aber nicht unter einer Persönlichkeitsspaltung, falls durch meine Worte dieser Eindruck entstanden sein  sollte. Der männliche Teil der Persönlichkeit bleibt präsent, auch wenn der weibliche Part gerade dominiert und umgekehrt. Doch viele CD spielen spaßhaft mit ihrem weiblichen alter ego und verleihen ihr mitunter eine eigene Persönlichkeit.

 

So beispielsweise eine CD, die selbstironisch davon berichtet, ihr weibliches alter ego, "das kleine Miststück" (O-Ton) habe sich zu einem Bauchnabelpiercing entschlossen. Die Aussage war natürlich nicht ernst gemeint (das Bauchnabelpiercing schon, das hat sie machen lassen, aber das "Miststück" wohl eher nicht), aber ich war dann doch froh, daß Darialena eher auf Schuhe als auf Piercings steht. Ich hab ihr zur Beruhigung gleich ein Handtäschchen gegönnt.

 

Oder eine andere CD, die meint, ihr männliches alter ego sei wohl eine ziemliche Spaßbremse. Ihre Ehefrau frage schon mal nach, ob "sie" nicht mal wieder zum Vorschein käme, sie gehe lieber mit "ihr" einkaufen. Tja Mädels, CrossDresser haben auch ihre Vorteile...

 

 


Spätpubertierende Mädchen

Diese Erscheinung muß nicht bei jedem DrossDresser genauso auftreten, aber auch hier weiß ich mich nicht alleine...

Endlich kann man sich so akzeptieren, wie man(n) ist- auch mit all seinen femininen Eigenschaften und Seiten. Vielleicht ist man alleine und muß niemandem Rechenschaft ablegen, vielleicht ist man geoutet und wird akzeptiert oder wenigstens toleriert.

 

Nun ist der Weg frei, die weibliche Seite mal mehr oder weniger auszuprobieren und auszuleben. Und da gibt es viel nachzuholen: ich erinnere mich noch an meine 4- oder 5- jährige Tochter, die in den viel zu großen Pumps ihrer Mama durch die Gegend schlappte oder sich mit 3 Jahren mit Muttis sündhaft teurem Lippenstift das halbe Gesicht beschmierte. Oder mit 11 unbedingt den grellsten Nagellack haben wollte, der für Geld zu haben war. Und so weiter...

 

All das, was Mädchen von klein an lernen, von ihrer Mutti, großen Schwestern und ihren Freundinnen, hat ein CrossDresser nicht gelernt. Das muß jetzt nachgeholt werden, wenn's sein muß, das volle Programm. Und das natürlich im Schnelldurchlauf, am besten alles auf einmal. Kein Absatz ist zu hoch, kein Rock zu kurz, kein Auftritt zu peppig. Rosa Kleidchen, Petticoats, Rüschen, Spitzen, Dessous bis zum Abwinken, schicke Strümpfe, Modeschmuck, rassige Perücke und das volle Kosmetikprogramm...

 

Hier ein interessanter Artikel der Süddeutschen Zeitung zum Thema, warum junge Mädchen sich mitunter in sexy Kleidung ausprobieren: 

 

Link: "Mädchen probieren sich mit sexy Kleidung aus"

 

Von den knalligen Accessoires ganz zu schweigen- ich habe mittlerweile nicht nur einen Schuhtick, sondern auch noch einen Handtaschen-Fetisch- OMG, was kommt auf mich wohl noch alles zu?

 

Heraus kommt am Ende dann oft eine Glitzerqueen irgendwo zwischen trashy, Drag Queen und burlesque. Im schlimmsten Fall noch eine Bordsteinschwalbe, aus deren Outfit (meiner Erfahrung nach fast ausschließlich heterosexuelle) Männer regelmäßig die falschen Schlußfolgerungen ziehen.

 

Aber meiner Meinung nach muß diese Phase sein, sie ist wichtig, um nicht zu sagen: unvermeidbar. Schwierig wird es erst, wenn sie anhält.

 

Dabei rede ich nicht denen den Mund, die meinen, CD dürfte nicht ein wenig schicker sein als die teilweise ins langweilig-unisexe abgleitende Alltagsmode vieler Frauen. Diese quasi geschlechtsneutrale Bequemschuh-Socken-Hosen-Jacke-Uniformität, die man alltäglich massenhaft auf der Straße präsentiert bekommt.

 

Nein, ein CrossDresser darf sein Outfit alltagstauglich gestalten und dennoch durch kleine Details feminine Akzente setzen.

 

Natürlich kann man sich zu verschiedenen Anlässen durchaus seinen Prinzessinnenträumen hingeben. Karneval und CSD, Party-Events und das Fest der Kulturen sind sicher Anlässe, wo man(n) mal so richtig ungebremst die Frau (oder das kleine Mädchen in sich) heraus lassen kann.

 

Auch bei CD-/TG- Treffen wird durchaus von einigen Teilnehmerinnen die etwas schickere Garderobe gezeigt, ohne dass daran jemand Anstoß nähme. Coctail- und Partykleider gehen sowieso, aber ich habe auch schon richtig schicke lange Ball- oder Abendkleider gesehen. Jedenfalls da, wo ich hingehe in Berlin.

 

Jede CrossDresserin sollte austesten, was ihr steht und ihr die nötige Sicherheit in der Öffentlichkeit gibt. Nur wer sich in seinem Outfit wohl fühlt, kann entspannt, freundlich und authentisch auftreten.

 

Darialena ist eine kleine Provokateurin. Sie nötigt mich schon manchmal,  als Mann in der Öffentlichkeit durch feminine Details auf mich aufmerksam zu machen.

 

Tarnsocken sind ihr ein Grauen und so schauen die Verkäuferinnen schon manchmal freundlich lächelnd auf meine bestrumpfhosten Beine, die im Fußausschnitt meiner Pumps zu sehen sind.

 

Oder die Kassiererin macht große Augen, wenn sie meine trendig lackierten langen (im Augenblick pinkfarbenen) Krallen beim Öffnen meiner Leoparden-Geldbörse sieht.

 

Darialena freut sich über jedes freundlich- wissende Lächeln, große Augen und hochgezogene Augenbrauen.


Alles für Crossdresser: www.transsensation.de
Alles für Crossdresser: www.transsensation.de