Was mich umtreibt

Intoleranz und Bashing innerhalb der Community

Claudia und Lena im Heurigen Gustav
Claudia und Lena im Heurigen Gustav

Ich weiß nicht, was mich umtreibt. Da sitze ich hier im Voyage, klöne ein wenig mit der netten Bedienung und sinniere über das letzte Jahr nach.

 

Es hat sich viel getan. Seit langem lebe ich nur noch in Frauengestalt, für das Abzählen der mehr oder weniger männlichen Auftritte, so gut das eben mit fünf Zentimeter langen Nägeln geht,     reichen locker die Finger einer Hand.

Und trotzdem definiere ich mich nach wie vor als Crossdresser. Ein Crossdresser zwar, der auf Silikonbrüste und Perücke zurück greift, um sich seinem Wunschbild als Frau möglichst weit anzunähern, aber immer noch ein Crossdresser. Es gibt keinen Wunsch, meinen Körper durch eine Geschlechtsangleichende Operation zu verändern. 

 

Meine Motivation ist nicht der Kick, Frauenkleidung zu tragen, sondern ich möchte die soziale Rolle einer Frau ausleben. Immer öfter kommt es vor, dass Frauen mich als ihresgleichen akzeptieren und die unsichtbare Barriere, die sonst oftmals im Kontakt zwischen Männern und Frauen besteht, verschwindet.

 

Auch die Männer, mit denen ich tagtäglich zu tun habe, akzeptieren mich problemlos in meiner Rolle. Und so habe ich mich derart in meine Frauenrolle eingelebt, dass ich den zusätzlichen Aufwand, den ich treiben muss, fast unbemerkt in meinen Tagesablauf integriert habe. 

 

Alle zwei Tage muss ich nachepilieren, da die Körperbehaarung an Armen und Beinen, Brust, Bauch und Rücken unkontinuierlich nachwächst. Jeden morgen eine Viertelstunde zum Schminken mehr einplanen. 

 

Männer wie Frauen schätzen meine Empathie und so bin ich nicht selten eingeweiht in privatesten Kummer.

 

Doch da treibt mich immer wieder aufgrund der verschiedensten Abgrenzungen innerhalb der LSBT-Community der Gedanke um, was Crossdresser, die beide Geschlechterrollen leben und Transsexuelle, die im einen biologischen Geschlecht geboren wurden und sich dem anderen annähern möchten, wirklich trennt.

 

Was unterscheidet Crossdresser wie mich, die eine Frauenrolle über längere Zeit, womöglich kontinuierlich ausleben, von einer Transsexuellen, die auf eine GaOP verzichtet (früher "kleine Lösung" genannt)?

 

Wiederholt musste ich in der letzten Zeit Herabsetzungen der Crossdresser-Szene durch Transsexuelle erleben. Ausgrenzung, Geringschätzigkeit, Abwertung bis hin zu Crossdresser-Bashing.

 

Da begründet eine wichtige Trans*Gruppe in Berlin die Ablehnung einer anderen namhaften Trans*Gruppe in Berlin damit, dass die zu viele Crossdresser in ihren Reihen hätte. 

 

Ich kenne beide Gruppen und kann einschätzen, dass die Mitglieder der einen Gruppe nicht trashiger, nuttiger oder tuntiger als die der anderen Gruppe aussehen. 

 

Vorbehalte und Vorurteile, wohin man schaut innerhalb der Community. Intoleranz von Leuten, die für sich selbst Toleranz von allen anderen einfordern. Die einen halten sich für etwas besseres, als die anderen. 

 

Irgendwie macht mich das traurig...