Erwachsen ?

Blick vom S-Bahnhof Warschauer Straße Richtung Alex.
Blick vom S-Bahnhof Warschauer Straße Richtung Alex.

Ich kann es selbst kaum glauben...

 

Meine spätpubertäre Phase hat sich wohl langsam dem Ende zugeneigt. Immer öfter fällt mir auf, dass ich nicht mehr auffalle.

 

Sind die Leute nur so abgestumpft, weil in Berlin sowieso genug Durchgeknallte herum laufen? 

 

Aber auch in meinem Kaff im brandenburgischen, dass sich nach 36 Jahren des Hierseins wie Heimat anfühlt, guckt keiner mehr.

Haben die TV-Sendungen mit mehr oder weniger schrillen Transen eventuell doch etwas zur Akzeptanz unserer Spezies beigetragen? Sozusagen Olivia Jones als Botschafterin der Transgeschlechtlichkeit?

 

Sicher trägt dazu bei, dass ich nicht mehr in kurzen Röckchen und glitzerbunten Paillettenshirts auf hackenbrechenden High Heels daher schwebe, sondern mich etwas altersgerechter und dezenter kleide. In Kleid oder Rock ist Frau trotzdem auffällig genug und hebt sich dann immer noch von der großen Masse der Geschlechtsgenossinnen ab.

 

Meine Einkaufsquellen sind heute nicht mehr die schillernden Spezialshops im Internet für Transen, in denen Billigfummel mit Perversenaufschlag verkauft werden, sondern die Modelabels für die Dame.

 

Auch die mittlerweile jahrelange Übung in der Frauenrolle beginnt sich auszuzahlen; man bewegt sich eher wie eine Frau, weil es einfach zweckmäßig ist.

 

Jedenfalls bin ich noch unentschieden, ob Gleichgültigkeit, Aufgeklärtheit, Toleranz oder gar Akzeptanz eine Rolle spielen, ich genieße es, NICHT im Mittelpunkt der öffentlichen Aufmerksamkeit zu stehen. 

 

Niemand glotzt, meistens nicht einmal mehr ein Seitenblick.

 

Mit Gleichgültigkeit als einfachster Form der Toleranz bin ich schon zufrieden; Toleranz ist immerhin eine Bringschuld, die man von jedem zivilisierten Mitbürger verlangen kann. 

 

Akzeptanz hingegen ist ein Geschenk, über das ich mich besonders freue.

 

Und so stöckle ich sinnierend über die Oberbaumbrücke zum U-Bahnhof Warschauer Straße meinem Tagwerk entgegen...

 

So fühlt es sich also an, eine ganz normale Frau zu sein.