Ein wenig Physik

Singularität im Politikbetrieb
Singularität im Politikbetrieb

Bei der Untersuchung verschiedener gesellschaftlicher Phänomene stießen Wissenschaftler immer wieder auf ein Problem: wie beschreibt man absolute politische Inhaltsleere?

 

Jetzt haben ebendiese Wissenschaftler das Problem gelöst.

 

Zur Definition der neuen Naturkonstante zogen sie die Regierungszeit eines mitteleuropäischen Staatsoberhauptes in einem zu damaliger Zeit nicht ganz unbedeutendem regionalen Verbund heran und benannten die solchermaßen definierte Konstante mit "A.M.".

 

Die neue Naturkonstante scheint das gesellschaftspolitische Äquivalent zur "Null" in der Mathematik, der Leeren Menge in der Mengenlehre und zum "Nichts" in der Philosophie zu sein.

 

Die Konstante ist hierbei in einem geradezu revolutionären Ausmaß universal: die (wiederholte) Addition oder Multiplikation der Konstante mit sich selbst oder ganzen oder reellen Zahlen führt die Konstante immer wieder auf sich selbst zurück. Das heißt:

 

x * A.M. = A.M.

 

Oder:

 

A.M. + A.M. = A.M.

 

Das A.M. steht nicht nur für völlige Inhaltsleere, sondern auch für Richtungs-, Orientierungs- und Ziellosigkeit. Es ermöglicht Anwendern, heute für etwas und morgen genau dagegen zu sein, ohne das Gesicht zu verlieren, denn Anwender des A.M. haben kein "Gesicht", "Gewissen" oder "Gedächtnis" zu verlieren. All das ist qua definitionem des A.M. unnötiger Ballast. 

 

Das A.M. genügt in seinem Wirkbereich völlig sich selbst; es fungiert de facto als inhaltsleerer Platzhalter und verhindert zuverlässig das Wirksamwerden irgendwelcher politischen Inhalte oder Konzepte; es höhlt diese im Gegenreil schleichend bis zur völligen Entkernung und Bedeutungslosigkeit aus.

 

Das A.M. wirkt in diesem Sinne gleichermaßen innerhalb seines Anziehungsbereiches- die Wissenschaft spricht hier auch von einem Gravitationsradius- auf die eigene wie auch auf befreundete, koalierende, ja selbst auf sondierende Partnercluster und in jedem Fall auch auf die Köpfe der um das A.M. kreisenden Trabanten. Es bleiben in jedem Fall nur schlaffe Blasen zurück.

 

Allerdings stellten die Wissenschaftler fest, daß in der Praxis bei der Anwendung der neuen Naturkonstanten zur Erklärung gesellschaftlicher Phänomene kleine Abweichungen auftreten, die nur durch Berücksichtigung eines Korrekturfaktors σ (Sigma), den die Wissenschaftler aus unerfindlichen Gründen als "irrlichternden Siggi-Faktor" bezeichnen, erklärt werden können.

 

Der Siggi-Faktor ist auch als sogenannter Verschlechterungs- bzw. Verschlimmbesserungsfaktor in die wissenschaftliche Debatte eingegangen.

 

Einzig mit diesem Faktor lassen sich Anekdoten wie eine Mehrwertsteuererhöhung anno domini 2005 im Dunstkreis des A.M. erklären. Da hatten die Protagonisten im Wahlkampf 2% Erhöhung auf dem Schirm (von damals 16%), während die anderen erklärten, eine Mehrwertsteuererhöhung ginge nur über ihre Leiche. 

 

Letztendlich einigten sich die Koalitionäre auf eine Erhöhung um 3% auf die heute noch geltende Märchensteuer von 19%. Mit Mitteln der Arithmetik sind solche Effekte nicht erklärbar.

 

Kurz waren die Wissenschaftler in diesem Zusammenhang noch versucht, einen Umfallerfaktor μ, aus unerklärlichen Gründen auch 'Münte-Faktor' genannt, einzuführen, aber man sah in Fachkreisen davon ab. Der Senilitätsfaktor bei so lang existierenden Personenclustern war für die Fachleute einfach nicht kalkulierbar.

 

Ein ungeklärtes Problem treibt die Fachleute jedoch immer noch um: was passiert, wenn man ein A.M. von sich selbst abzieht? Also:

 

A.M. - A.M. = ???

 

Man weiß es nicht. Die Arbeitshypothese lautet, daß dann einfach ein Loch in der Wirklichkeit, sozusagen ein Nichts, um das alle anderen Nichtse kreisen, zurück bleibt.

 

Das wäre buchstäblich das politische Äquivalent zu einem Schwarzen Loch, nur mit erheblich weniger Anziehungskraft.