Joy of Job

Potsdamer Straße, Kreuzung Kurfürstenstraße.
Potsdamer Straße, Kreuzung Kurfürstenstraße.

Alltag. Pendeln zum Job nach Berlin.

 

Also mit einem Becher Kaffee in der Hand den Regio Richtung Berlin geentert. Im Zug sitzt mir eine lesende junge Frau gegenüber.

 

Eins meiner Hobbys in Regio, U + S ist es, die Buchtitel meiner Mitreisenden in Spiegelschrift zu entziffern und den Buchinhalt dann auf dem Smartphone zu googlen.

 

Was lesen sie oder er da gerade? Entrückte Gesichtszüge, wiederholte Schmunzler oder gar laute Lacher sind manchmal die besten Buchrezensionen, die man bekommen kann. So habe ich schon viele interessante Buchtipps erhalten.

 

Sie liest "Der gemeinsame Weg zur besten Ent- Scheidung".

 

Genau in dieser Schreibweise.

 

Ich frage mich kurz: Eigeninteresse oder Büffeln für die Klausur in Familienrecht? Ich sehe ihr angespanntes Gesicht und entscheide: Eigeninteresse.

 

Lichtenberg: Ab auf den S-Bahnsteig.

 

Ich schaue noch kurz beim Deichmann im Ring-Center an der Frankfurter Allee vorbei. Vor zwei Tagen hatten sie da ein paar unfaßbar schöne Sandaletten aus der Ellie-Gold-Collection. 

 

Es gibt sie nicht mehr. Ich seufze und denke bei mir, dass man eben gleich zuschlagen muss, wenn man von etwas fasziniert ist.

 

Enttäuschung macht sich in mir breit und das ist gefährlich, denn wie ich weiß, diese Emotion entlädt sich oftmals in Kaufwut.

 

In der S-Bahn sitzt mir ein Mann gegenüber. Karl-Marx-Frisur mit ebensolchem Rauschebart. Schwarzes Haar, dekorativ grau meliert. Schwarzer Anzug, Mitte vierzig. Und rot lackierte Fingernägel.

 

Schon leicht abgebröckelt, der Lack, aber alle Finger lackiert.

 

Interessant...

 

An der Bülowstraße steige ich aus und will die Potsdamer überqueren, als mir aus Richtung Finanzamt eins der Straßenmädchen entgegen kommt.

 

Top Figur, die langen braunen Beine fangen meinen Blick ein und lassen mich im ersten Augenblick an eine Feinstrumpfhose denken.

 

Doch ihr auch ansonsten sonnengebräunter Taint verrät: keine Strumpfhose.

 

Wäre in ihrem Gewerbe vermutlich auch total unpraktisch.

 

Dafür kontrastiert ihr schöner Hautton wunderbar mit ihren schulterlangen glatten, fast platinblonden Haaren. Heller Mini, weiße Stiefel mit 11cm Stilettos-

 

Wir gehen aneinander vorbei und ich korrigiere meine Altersschätzung zehn Jahre nach oben, fünfzehn...

 

Das Leben hat tiefe Furchen in ein schönes Gesicht gegraben. Zusammengekniffene Lippen, ernster Blick.

 

Vorbei.

 

Vorbei am Friseur "Troja", dem REWE-Markt, indem ich mir oft noch eine Kleinigkeit für die Pause besorge und dem "Rossmann", in dem ich auch die eine oder andere Notwendigkeit, wie Kajalstifte oder Kompaktpuder, besorge.

 

Die Tische vor dem Bäcker sind zu dieser vormittäglichen Stunde bei dem sonnigen Wetter gut besetzt, viele nutzen die Location als Frühstückscafe.

 

In den Beate-Uhse-Shop an der Ecke hingegen habe ich noch nie jemanden hineingehen oder herauskommen sehen.

 

Gleich gegenüber am Ausgang des U-Bahnhof Kurfürstenstraße vorbei der Woolworth. Ein unerschöpflicher Quell nützlicher Kleinigkeiten und Nippes aus Kunststoff, Pappe und Preßglas.

 

Aber hier kostet bsp. ein Stylus (praktischer Eingabestift für Smartphones und Tablets) lediglich einen Euro statt unbegreiflicher 5,99 im Elektronikmarkt.

 

Gerne kaufe ich die 5-er Packungen Feinstrumpfhosen in Makeup, Diamant oder schwarz für Alltags. Die passen sogar einer bauchigen Pummelfee wie mir, ohne zu rutschen.

 

Überhaupt hat Woolworth mitunter schöne Klamotten zu bieten, deren Größenangaben stimmen und sich nicht an 1,50 m großen Elfen orientieren.

 

Vor ein paar Tagen habe ich mir einen Jumpsuit in koralle in Größe XL gekauft. Er paßt wunderbar.

 

Gestählt durch dieses Erfolgserlebnis lasse ich jetzt noch einen in schwarz mitgehen. Und, ach ja, ein rosa Oberteil muss es auch noch sein- es sieht so süß aus...

 

Eigentlich wollte ich nur ein paar flippige Postits für die Arbeit haben, die bekomme ich auch- für einen Euro- aber der Rest- herrjeh- wie der Zufall so spielt-

 

Ich queere mit meiner eben hinzu gekommenen gut gefüllten Woolworth-Tüte die Potsdamer an der Ecke Kurfürstenstraße und steuere an der City-Toilette vorbei in Richtung Pohlstraße.

 

Eines meiner Highlights ist die Filiale von Resales in der Potsdamer, hier habe ich vor einigen Jahren mal mein schönstes Dirndl gekauft.

 

Wie ich vor kurzem gelernt habe, heißt die Farbe jetzt "Vintage Rosa", altrosa klang den Werbestrategen wohl zu sehr nach "Alt"

 

Resales hat wie viele andere Bekleidungsläden ständerweise Klamotten in Kindergrößen von 36 bis 42. Dann noch ein bißchen 44/46 und eine Ecke mit "Übergrößen", in die sich aber auch schon mal die 44/46 verirren, besonders wenn sie wie Alte-Oma-Klamotten aussehen.

 

Jedes Schnäppchen in chic und mit einer führenden "5" in der Größenangabe ist ein kleiner Sieg...

 

Schließlich habe ich die Pohlstraße erreicht und strebe sonnengestählt, wohlgelaunt und um ein paar läpperliche Euronen ärmer meinem Brotjob entgegen...