Ragnarök

Alles gut in Eutopia

Die drei Nornen sitzen unter der Weltesche Yggdrasil und ducken sich unter den durchdringenden Regentropfen, die das Blätterdach des Baumes passieren. Sie spinnen gemeinsam an den Schicksalsfäden, welche die Geschicke der Menschen miteinander verbinden.

 

Urd als Älteste rührt den Inhalt des kochenden Kessels um. Blubbernd steigen Kochblasen aus dem vielgesichtigen Eintopf hoch, der in dem Kessel der Drei vor sich hin köchelt.

 

"Plopp!"

 

Der leicht unangenehme Geruch von altem Papier und Wanzen verbreitet sich unter Yggdrasil.

 

"Das ist nur die unbewältigte Bankenkrise in Europa", beschwichtigte Urd ihre beiden Schwestern, "das stinkt ein wenig." Die Schwestern spinnen das gewaltige Schicksal der eutopischen Bankenlandschaft in das Gespinst ihrer Zukunftsfäden ein und: "uuups...."

 

Verdandi reißt der Faden und sie verheißt die Zukunft: "Das werden die Europäer noch merken, vielleicht schon nach den Bundestagswahlen im nächsten März!"

 

Eine knochige Hand fährt aus dem Kessel empor und zeigt westwärts.

 

"Hihihi" kichern die Schwestern und Skuld stopft die widerwitzigen Finger zurück in die Suppe.

 

"Das sind die Knochen der Merklerin.  Die hat versucht, ihr ganzes Volk hinters Licht zu führen. Hat auch eine zeitlang geklappt, danach wollte man sie nur noch filetieren ..." Die Schwestern kichern vor sich hin. Sie wissen, dass so etwas immer nur begrenzt mit einem Volk zu machen ist, bis es sich der unliebsamen Verarscher entledigt.

 

"Mit Filet wird das aber nix," meinte Skuld, " dazu war die Merklerin zu knochig. Eine dicke Elefantenhaut, ein fetter Sitzarsch zum Beharren, aber kaum Fleisch am Knochen.  "Da kann man höchstens eine Knochenbrühe von kochen."

 

Die drei blicken andächtig in den vor sich hin blubbernden Kessel...

 

Gerade wieder platzt eine Blase in dem bunten Gemisch  des Eintopfs, der da vor sich hin kochte, es roch leicht nach altem bunten Papier.

 

"Ha!" meldete sich Verdandi, die Zukunftselfe, zu Wort: "die Eurokrise meldet sich wieder einmal!"

 

Und in der Tat: es köchelten griechische Würzkräuter mit portugiesischen und spanischen Anleihen in dem Süpplein der drei Nornen vor sich hin, es brodelte und stank, es zischelte und roch ein wenig anzüglich vor sich hin, ein leichter Hauch nach "bella italia" mischte sich darein, kurz... es roch würzkräftig-mediterran und damit leicht exotisch unter dem Weltenbaum Yggdrasil.

 

Eine weitere schimmernde Blase trieb schwankend zur Oberfläche des Eintopfs und zerplatzte schillernd in dem brodelnden Topf.

 

"Oh wie schön," sprach Urd, "die Eurokrise hat aber einen lustigen Hintergrund angenommen. Die Banken kriseln vor sich hin, den Außenseitern, wie der dänischen Krone, dem Sloty und dem Forint geht es bestens und wenn die größte Krisenbank der Welt wegknallt, war's das mit dem Euro gewesen... das duftet nach Schicksal..." Sie schnüffelte über dem Süppchen.

 

Doch der Eintopf brodelte hoch und höher. Immer mehr Blasen schlugen an die Oberfläche, und es roch mittlerweile nach...

 

"Scheiße!" brüllte Skuld. "Der Eintopf ist angebrannt! Das ist ja alles schon ganz braun!" Die drei Nornen sprangen auf und rührten aufgeregt in dem brodelnden Topf.

 

"Wir haben nicht aufgepasst!" kreischte Skuld. "Es ist alles dahin!" Urd hingegen schaute müden Auges in den dampfenden Topf und sagte kalt: "Wir haben es nicht besser verdient! Die Zukunft wird düster."

 

Verdandi äußerte sich zunächst dazu nicht. Ihr leerer Blick glitt über den rauchenden Topf hinweg in die Ferne und sie seufzte. Dann jedoch blickte sie ihren Schwestern fest in die Augen und sagte leise: "Wir müssen den Menschen nur weis machen, dass es immer so weiter geht. Dann essen sie auch unseren angebrannten Eintopf auf. Das Gedächtnis des Wahlviehs ist kurz, die wissen nicht einmal mehr, wie ein richtiger Eintopf schmeckt."

 

Die anderen Nornen blickten sie zunächst zweifelnd an, doch dann klarte sich ihr Blick nach und nach auf.

 

"Du hast recht," meinte Urd als Älteste, "so ist es immer gewesen und so wird es immer sein," die Schwestern blickten sie an, "gib den Menschen ein wenig Hoffnung, und sie sind bereit, selbst die Scheiße zu fressen, die wir gekocht haben." Die Schwestern nickten zustimmend.

 

Es tropfte von den Zweigen der Weltesche Yggdrasil. Der Regen strömte unvermindert vom Himmel. Zischend fielen die Tropfen ins Feuer und in den buntschillernden Eintopf, der auf der erlöschenden Glut leise vor sich hin simmerte.

 

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