Der Geistergipfel von Presseburg

Wie Die Geister der Einigkeit, Geschlossenheit und Zusammenarbeit Beschworen wurden.

Spukschloss
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Junker Jean, ein müder alter Mann, den die Zwergenfürsten ob seiner Verdienste bei der Implementierung eines äußerst kreativen Steuervermeidungssystems in seinem selbst für Zwergenverhältnisse zwergenhaften Großherzogtum zum Generalhofmeister ihres Zwergenbundes Eutopia erhoben hatten, versprach in seiner Grundsatzrede zum Zustand des Zwergenbundes nach dem unschönen Abgang des Alberich von Albion nicht weniger als Epochales.

 

Den 27 verbliebenen Zwergenstaaten sollte nach dem Abgang der ruchlosen Kanaille nicht weniger als die Quadratur des Kreises gelingen, sie sollten nunmehr alle mit einer Stimme sprechen und alle fortan an einem Ende des Taues ziehen, jedenfalls aber an dem gleichen.

 

Den verbliebenen Zwergenvölkerschaften malte der alternde Generalhofmeister ein Bild prosperierender Landschaften, jeder Zwerg werde ein Hämmerchen bekommen und ab sofort genug zu beißen haben.

 

★★★

 

Fürst Vigor spuckte seine Suppe zurück in den Teller. Da schwammen nun die fädigen Worthülsen des türkisen Hosenanzugs vom Ende der Tafel, welche die Übelkeit in ihm erst so richtig hochkochen ließen.

 

Angewidert schob Vigor den Teller von sich.

 

Währenddessen beschwor der türkise Hosenanzug Geister.

 

Vigor haderte im Stillen mit sich: ist der Hosenanzug nun türkis oder eher mint? … Egal.

 

Als Erstes gelang es dem Hosenanzug, den „Geist der Zusammenarbeit“ zu beschwören. Als dieser an Vigor vorbei schwebte, duckte er sich und konnte so verhindern, daß ihn der Atem des Geistes berührte.

 

Mit Genugtuung nahm Vigor am Rande wahr, dass er nicht der Einzige blieb. Auch der Gastgeber bückte sich, als der Geist vorbei schwebte, wie zufällig nach einer herunter gefallenen Gabel und die Vertreter von Polonesien und derer von Burg Schwarzenberg gingen in die Hocke, um ihre Schuhe zuzubinden.

 

Im Gegensatz dazu versuchte der stiefelländische Vertreter, den Geist einzufangen, bemühte sich jedoch völlig erfolglos, eines der feinen Gespinste zu erhaschen. Es schien geradezu, als wollte sich der Geist ausgerechnet einem der wenigen Willigen entziehen.

 

Was Wunder, dachte Vigor im Stillen bei sich. Hatte Stiefelland sich doch im Vertrauen auf die gemeinsame Stärke des Zwergenbundes seiner wesentlichen Verteidigungsmöglichkeiten begeben und war in der Folge von den Goblins überrannt worden.

 

Sieh mal schön selber zu, wie du die jetzt wieder los wirst, dachte Vigor so bei sich. Erst das Geld für die Truppen sparen und dann zeter und mordio schreien…

 

Der Hosenanzug beschwor gerade den Geist der Einigkeit.

 

Huuups! Wo kommt der denn jetzt her? fragte sich Vigor überrascht.

 

Wie ist dem Hosenanzug das denn gelungen, nachdem wir den Geist in den letzten Jahren regelmäßig verdroschen haben? Dafür muss der Hosenanzug jetzt aber was Essentielles, mindestens drei Seelen, geboten haben. Da der Hosenanzug nach Vigors Meinung selbst über keine Seele verfügen konnte, wurde ihm kurz mulmig. Aber als er sein privates Sündenregister für sich schnell rekapitulierte wurde ihm klar: is eh wurscht!

 

Doch der dünnrauchige Geist schwebte nur kurz als schimmriger Schemen über der Tafel und löste sich dann mit einem leisen „Plopp!“ und einem etwas strengen Nachgeruch auf.

 

Während dessen wurde an der Tafel vom Hosenanzug und seinem franzuwarischen Dackel die Phrasendreschmaschine angekurbelt.

 

Es schwebten die Ankündigungsfeen, die aus der Maschine strömten, über die gekrönten Häupter der Versammelten, die da heißen „Wir wollen“, „Wir werden“, und „Wir müssen“.

 

Vigor kamen die weißgekleideten Feen seltsam bekannt vor und bei genauerem Hinsehen bemerkte er, dass die Feen schon etwas angeknittert und die Ränder ihrer Gewänder leicht beschmuddelt und abgenutzt waren.

 

Ja, die kenne ich, stellte Vigor fest. Das sind die vom vorigen und vorvorigen Jahr.

 

Doch der Hosenanzug steigerte sich in eine seltsame Euphorie, die für Vigor irgendwie nach Realitätsverlust und Weltfremdheit schmeckte und beschwor die Gemeinsamkeit der 27 Zwergenvölkerschaften, ihre Einigkeit und Geschlossenheit, man werde sich noch ein weiteres Mal treffen (und wieder miteinander fremdeln, dachte Vigor so bei sich) und miteinander reden und reden…

 

Und dann, zum 60-jährigen des Zwergenbundes Eutopia, werde man den großen Wurf verkünden. Dann sind alle Probleme mit einem Schlag gelöst.

 

Fürst Vigor ist Manns genug, um sich mit dem Hosenanzug fürs Abschlussgemälde aufzustellen. Er schmunzelt zynisch in sich hinein. 

 

Mission accomplished!

 

Der Hosenanzug hat zwei Büroklammern benutzt, um die hängenden Mundwinkel etwas höher zu stecken. Sieht zwar leicht grimassenhaft, aber auf dem Abschlussgemälde und aus der Ferne immer noch nach einem Lächeln aus.

 

Der stiefelländische Vertreter hingegen bockt. Er möchte nicht mit aufs Abschlussgemälde.

 

Das hält den Hosenanzug aber nicht darin auf, den vortretenden Geschichtsschreiberlingen seine Diktion des Geschehens zu präsentieren.

 

Erfolg! lautet der Tenor des Hosenanzugs. Wir waren uns selten so einig und sind uns einig, dass wir uns einig werden wollen. Dazu werden wir alles Nötige unternehmen. Die Interessen der Bürger sind für uns total interessant. Sobald wir dazu kommen, werden wir uns damit beschäftigen.

 

Mitbestimmung der Zwerge in unserem Zwergenstaat ist uns total wichtig, deshalb dürfen die Zwerge uns ja ihre Stimme geben.

 

Nach diesen totalen Umwälzungen der gewohnten Demokratie mussten sich die gekrönten Häupter der Zwergenvölkerschaften erst einmal erholen und strebten auseinander und ihren Kronpalästen entgegen.

 

Das Zwergenreich ist auf einem guten Weg.

 


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