Frauentag

Gestern war die Welt noch Scheiße, heute fühle ich mich fast wunderbar.

Blick vom Drachenkopf auf das Stadtzentrum von Eberswalde mit der Maria-Magdalenen-Kirche. Mein Foto von 2012
Blick vom Drachenkopf auf das Stadtzentrum von Eberswalde mit der Maria-Magdalenen-Kirche. Mein Foto von 2012

Gestern, ach was sag ich, die ganzen letzten Tage  hatte ich einen Tiefpunkt, wie er besser nicht daher kommen kann; Selbstzweifel, Ängste und Sorgen vermischten sich zu einer unheilvollen Mischpoke und es hätte nicht viel gefehlt, daß ich in ein Besäufnis abgestürzt wäre.

 

Doch heute stand ein Besuch in meiner Hausarztpraxis an, nichts weltbewegendes, ein Scheinchen abholen und meinem Facharzt den Abschlußbericht meiner Reha zukommen lassen.

 

Aber die Sache disziplinierte mich. Hatte ich in den letzten Tagen mein Outfit vernachlässigt (wie lange die Epilation her ist, kann ich an der Länge meiner Körperbehaarung ungefähr abschätzen (ca. 1 mm pro Tag, je nach Ort wachsen 4-5 mm unter der Haut, erst danach sieht man sie) und bin wieder fast in männlichen Klamotten rumgeschlumpert (gut, männliche Unterwäsche und Schuhe habe ich nicht mehr, ein paar Unisex-T-Shirts  und eine Damenjeans, deren Glitzerapplikationen am Arsch ich durch das Darübertragen des jeweiligen Oberteils kaschiere, müssen genügen.) Aber ich fühlte mich dennoch in diesen Kompromiß-Outfits soooo: unfeminin. Und damit einfach Scheiße. Hab meine Frauenwünsche der Anpassung ans Allgemeinwohl geopfert, oder so ähnlich 

 

Ich fühlte mich einfach.

 

Ooooooaaaghh...

 

Doch wie gesagt: heute stand Arztbesuch an, und es hätte durchaus sein können, daß meine Hausärztin mich wirklich sehen will. Also gestern das volle Epilationsregister gezogen, Arme, Beine, Brust, Bauch und Bikinizone. Zusätzlich rasierte ich den Schultergürtel, soweit man halt alleine kommt und den Nacken aus.

 

Heute früh Naßrasur vom feinsten. Gesicht glatt wie ein Babypopo.

 

Das Anziehen des BH ist einfach schön. Die nicht zu protzigen Silkonbrüste in 95 B haben einen seidenweichen Griff und tragen sich einfach fantastisch. Am liebsten möchte ich sie gar nicht mehr ablegen, ich habe schon oft mit BH und den Silis geschlafen.

 

Über ein leichtes Miederhöschen ziehe ich die Feinstrumpfhose in "diamant" an. Oft eingeübtes Ritual, dennoch weiß ich den Tragekomfort einer FSH immer zu schätzen, ich möchte dieses feine seidige Gefühl auf der Haut einfach nicht mehr missen.

 

Schließlich komplettiere ich mein "darunter" mit einem "darüber" aus blauer Damenjeans (kik), schwarzem Damenoberteil mit Wasserfall-Ausschnitt (C&A) und ein paar flachen schwarzen Pumps mit kleinem Absatz (Deichmann).

 

Die vier anwesenden Sprechstundenschwestern in der Arztpraxis verziehen nicht nur keine Miene, sondern die, die mich bedient, lächelt mich mutmachend an. Nicht irgendwie geschäftsmäßig, das merke ich, sondern explizit mich, weil ich so auftrete, wie ich auftrete. Danke!

 

Im Stadtzentrum von Eberswalde, am Markt, kehre ich nach ein paar Besorgungen in das kleine Café der Großbäckerei Märkisch Edel ein. Dort ist es super angenehm, und nicht so teuer, wie beim "Gustav" der Privatbäckerei Wiese 50 m weiter.  Die Mädels bei Märkisch Edel kennen mich schon und so habe ich da ein entspanntes Frühstück bei Kaffee und Mettbrötchen. Früher blinkerten mir die Mädchen noch manchmal zu, heute sind sie es schon gewöhnt, daß eine Transe wie ich die Location aufsucht und nehmen das als Normalität. Auch hier: ich werde immer ausgesucht nett bedient und behandelt, kein Unterschied zur sonstigen Kundschaft. Danke!

 

Gleich gegenüber im Paul-Wunderlich-Haus ist ein Rossmann. Ich schlendere an den Regalen vorbei und denke: Warum nicht?

 

Ich gönne mir eine kleine Auszeit und probiere neben einer anderen Kundin mal einfach ein paar Tester mit schönen Lippenstiftfarben durch, ganz in Ruhe, keine Hektik, keinen Stress...

 

Zum Schluss wird es ein Lipfinity von Max Factor in fuchsia, der nach meinem Empfinden ganz gut zu mir passt.

 

Dann weiter ins "Ghetto" Eberswaldes, dem sogenannten Brandenburgischen Viertel. Nun ist nichts weniger brandenburgisch, als das Brandenburgische Viertel in Eberswalde. Man könnte die Plattenbausiedlung aus den 80-ern "Klein Alma-Ata" oder auch "Klein-Kirgisistan" nennen, aber das möchten die Stadtväter nicht, also lassen wir das.

 

Jedenfalls hat sich das "Ghetto" von Eberswalde zum Entsorgungsgebiet für Spätaussiedler, Migranten und verfestigte HartzIV-Existenzen qualifiziert, und das wird wohl auch noch eine Weile so bleiben.

 

Ich schmökere ein wenig in der "kik"-Filiale des Einkaufszentrums "Heidewald". Die Kleine von kik erkennt mich und kommt mir mit einem breiten Lächeln entgegen und begrüßt mich, so wie sie es sowohl bei kik als auch bei Deichmann eingetrichtert bekommen. Aber sie lächelt dabei und ich erkenne, daß es bei der Begrüßung über die gebotene geschäftsmäßige Professionalität hinaus geht. Danke dafür.

 

Am Ende lande ich im Bistro Gülüm im EKZ Heidewald. Eine Institution sozusagen. Die Mädels hier begrüßen mich schon fast freundschaftlich. Eine der drei ist mir mal hinterhergerannt, als ich auf der Toilette das Kleid hinten nicht richtig in Ordnung gebracht hatte. und hat mir geholfen. Super nette Bedienung, super nettes Handling, null Prob.

 

Ich will nicht sagen, daß es in Brandenburg keine Homo- oder Transphobie gäbe, aber es gibt durchaus, wenn frau lokal verankert ist, große Freiräume.

 

Jedenfalls ging's mir am Ende des Tages wieder gut. Es bewahrheitet sich doch immer wieder, daß man nur so leben kann, wie man eben ist, alles andere führt lediglich zu Frust...