Dienstags-Club

Transgenialer Grillabend im Sonntags-Club

Eingang zum Sontags-Club im Prenzlauer Berg.
Eingang zum Sontags-Club im Prenzlauer Berg.

Mein Weg nach Berlin beginnt wie immer auf dem Bahnsteig in Eberswalde. Der auf dem benachbarten Gleis einfahrende RE3 nach Stralsund ist eine dreiviertel Stunde verspätet, Begründung oder Entschuldigung von der DB dafür gibt es keine. Alltag also. 

 

Als mein RE3 Richtung Gesundbrunnen fast pünktlich einfährt, stehe ich natürlich genau vor der defekten Tür im Zug. Gefühlt gibt es immer eine defekte Zugtür bei der DB und frei nach Murphy ist es meist dann die, vor der man nach Halt des Zuges gerade steht. Ein Aufstöhnen in der wartenden Masse, als man den gelben Klebezettel im Türfenster erkennt, mit denen die DB ihr Versagen legitimiert und hurtig teilt sich die Masse der Wartenden und strömt den nächst gelegenen intakten Türen zu..


Also rein in den quirlenden Menschenpulk vor der nächsten funktionierenden Tür und rein in den ohnehin gut überfüllten Zug. Nach halbstündiger Zugfahrt ist mein Bedarf an Körperkontakt für das nächste halbe Jahr gedeckt.

 

Ich schleppe fast zehn Kilo Salate und Grillgut für das abendliche Grillen unserer Trans* Gruppe mit mir. Es steht außer Frage, dass ich das nicht auf dem ganzen Weg in die Tagesklinik in Marzipanien*) hin- und wieder zurück schleppe.

 

Also rein in den Späti an der gegenüberliegenden Straßenecke beim Sonntags-Club, in dem ich öfter schon belegte Brote oder eine Bockwurscht erstanden habe. Die kleine Verkäuferin ist wie immer unglaublich nett und hilfsbereit und deponiert meine Tasche. Nach einem Kaffee und zwei Mettbrötchen mache ich mich auf den Weg in die Rehaklinik. Ich bin froh, dass es den Späti gibt und dass er trotzdem er in türkischer Hand ist, immer noch Bockwurst und Mettbrötchen im Sortiment führt, obwohl der Chef als streng gläubiger Muslim kein Schweinefleisch anfasst, wie mir seine Verkäuferinnen unter der Hand verraten haben. Keine Selbstverständlichkeit.

 

Ich sinniere darüber nach, warum in unseren Städten nach und nach all diese Kleingewerbe, wie Spätis und Imbisse fest in Migrantenhand übergehen. Haben Deutsche keine Lust mehr auf solche Gewerbe? Oder haben sie einfach schlechtere Karten, weil sie sich an die deutschen Vorschriften und Steuergesetze halten?  

 

In diesem Zusammenhang fallen mir die Aussagen eines deutschen Kneipers aus Steglitz ein, der die zunehmende Arabisierung und Türkisierung des Gastrogewerbes in der Schloßstraße in Steglitz beklagte. Die Betreiber in diesen Restaurants, Kneipen und Imbissen wechseln pünktlich und sind regelmäßig von Stund an weder persönlich, postalisch noch telefonisch zu erreichen, bevor das Finanzamt Steglitz nach rund drei Jahren die Geduld verliert und endlich mal ein paar Steuerdeklarationen sehen will. Türken und Araber scheinen ein feines Radar für die Befindlichkeiten und Arbeitsabläufe deutscher Behörden und deren Dauer zu haben...

 

Mal sehen, wie das mit der Registrierkassenpflicht werden wird. Auf jeden Fall wird sie die ehrlichen deutschen Gewerbetreibenden treffen, so wie die Besitzerin eines kleinen Nähstübchens in meiner Heimatstadt. Der Preis einer Registrierkasse macht einen erklecklichen Teil ihres Jahreseinkommens aus und eigentlich steht sie bei der Einführung der Registrierkassenpflicht in Deutschland nur vor der Alternative, ihr Gewerbe aufzugeben.

 

Bald bin ich aus Marzipanien zurück. Die Ringbahn war zwar wie immer knackevoll, aber sie fuhr. Keine Selbstverständlichkeit in Berlin, Betreiberin der S-Bahn ist schließlich unsere leistungsoptimierte, von Magier Mehdorn personalmäßig ausgedünnte und kaputt gesparte Deutsche Bahn AG. Die Bahnen sind Schrott, die Streckentechnik von anno dunne, die Bahnhöfe dreckig und verkommen. Aber die Kapitalrendite der DB AG stimmt hoffentlich.

 

Ich verbringe ein wenig Zeit im Sonntags-Club, helfe ein wenig mit und schlage die Zeit bis zu unserem Grillabend tot.

 

Ab 18:00 Uhr ist das Café des Sonntags-Club täglich geöffnet, der Dienstags-Club bzw. der Trans* Abend an jedem Dienstag ab 19:00 Uhr ist fester Bestandteil meiner Wochenplanung.

 

Nach und nach treffen die Trans* Mädels und unsere Trans* Männer ein. Gusti**) bringt gefühlte fünf Kilo selbst gemachten Nudelsalat mit, Benni, Jule und Leroi spendieren Hummus, Hähnchensteaks, Würstchen, verschiedene Kartoffel- und Krautsalate, Weißbrot und, und, und...

 

Auch ich habe mich ins Zeug geschmissen und gestern abend noch eine große Butte***) Kartoffelsalat mit Ei, Delikatessgurke und Apfel gemacht, dazu habe ich fast zwei Kilo Puten- und Hähnchensteaks in eine Marinade eingelegt, die ich aus Sojasoße und süßer Chilisoße mit ein paar Gewürzen zusammen gerührt habe. Eine Packung Würstchen und etwas Grillgemüse- Zucchinischeiben und bunte Paprikastückchen in einer Olivenölmarinade mit Gewürzen- runden meinen Beitrag zum Grillabend ab.

 

Zufrieden nehme ich zur Kenntnis, dass mein Kartoffelsalat, obwohl bestimmt gute drei Kilo, als erster alle ist. Der Grillabend ist wunderschön und ein voller Erfolg. Der Club ist gut gefüllt, aber auf den Außenplätzen und vor unserem Grillstand, den die Trans* Männer Benni und Leroi in meisterlicher Art bedienen, steppt echt der Bär.

 

Trans* Männer, Trans* Frauen und Freund_Innen, Heteros, Lesben und Schwule sitzen bunt gemischt durcheinander. Es wird geklönt, gescherzt, Erfahrungen ausgetauscht. Keine und keiner wird ausgegrenzt oder ausgeschlossen.

 

Eine große bunte herzliche Gemeinschaft.


*) Marzipanien bezeichnet im kodderigen Berliner Volksmund das Konglomerat aus den Ostberliner Stadtbezirken Marzahn und Hellersdorf.

**) Alle Namen verändert

***) Butte bezeichnet einen Behälter, in diesem Fall z.B. einen Gefrierbehälter oder eine Frischhaltebox